Industriemeister Glas – Die wichtigsten Formeln

:blue_book: Die wichtigsten Formeln für den Industriemeister Glas


:fire: 1. Theoretischer und realer Wärmebedarf der Glasschmelze


:pushpin: Relevante Formeln:

Theoretischer Bedarf:

Q_th = m · c_p · ΔT + ΣΔH_Reaktion  
  • m: Masse des Gemenges [kg]
  • c_p: spezifische Wärmekapazität des Gesamtgemenges [J/kg·K]
  • ΔT: Temperaturanstieg vom Ausgangszustand bis Schmelztemperatur [K]
  • ΔH_Reaktion: chemische Umsetzungsenthalpien (z. B. Aufschluss von Carbonaten)

Realer Bedarf:

Q_real = Q_th / η  
  • η: Wirkungsgrad der Wanne (berücksichtigt Verluste durch Abgas, Strahlung, Leerwärme etc.)

:bar_chart: Tabelle: Theoretischer Wärmebedarf typischer Gläser

Glasart Theor. Bedarf [MJ/kg] Reaktionswärme (ΔH) [kJ/kg] c_p [J/kg·K] Schmelzbereich [°C]
Kalknatronglas ca. 1,85 350–450 ~1050 1400–1500
Borosilikatglas 1,65–1,80 250–350 ~1000 1350–1450
Bleiglas bis 2,00 400–600 ~1100 1000–1300

:microscope: Fachliche Erläuterung:

  • Der theoretische Wärmebedarf beschreibt den minimalen Energieaufwand, um Rohstoffe auf Schmelztemperatur zu bringen und gleichzeitig die endothermen chemischen Reaktionen zu ermöglichen.
  • Typische Reaktionen:
    • Zersetzung von Na₂CO₃ → Na₂O + CO₂
    • Aufschluss von CaCO₃
  • Die Scherbenzugabe senkt ΔH deutlich → CO₂-Freisetzung entfällt → bis zu 20–30 % weniger Wärmebedarf
  • Je feiner das Gemenge, desto schneller laufen Reaktionen ab – das reduziert ebenfalls den Gesamtbedarf.

:triangular_ruler: Rechenbeispiel 1:

Gegeben:

  • Masse m = 1 kg
  • Wärmekapazität c_p = 1050 J/kg·K
  • Temperaturerhöhung ΔT = 1475 K (von 25 °C auf 1500 °C)
  • Reaktionswärme ΔH = 400.000 J
Q_th = 1 kg · 1050 J/kg·K · 1475 K + 400.000 J  
Q_th = 1.548.750 J + 400.000 J = 1.948.750 J ≈ 1,95 MJ  

:electric_plug: Rechenbeispiel 2 – Realer Bedarf:

Gegeben:

  • Wirkungsgrad η = 0,45
Q_real = Q_th / η = 1,95 MJ / 0,45 ≈ 4,33 MJ  

:arrow_right: Das liegt im typischen Bereich industrieller Erdgaswannen.


:bar_chart: Tabelle: Vergleich – Theoretisch vs. Real

Ofentyp Wirkungsgrad η [%] Realer Verbrauch [MJ/kg Glas] Bemerkung
Erdgaswanne, regenerativ 40–45 % 4,0–5,5 Standard bei Hohlglasproduktion
Elektrowanne 75–90 % 2,2–3,0 Sehr effizient, teuer im Strom
Rekuperativwanne 50–55 % 3,5–4,2 mit Luftvorwärmung

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragestellungen:

  • Nennen Sie den Unterschied zwischen theoretischem und realem Wärmebedarf.
  • Welche Maßnahmen können den realen Wärmebedarf senken?
  • Warum senkt Scherbeneinsatz den Wärmebedarf?
  • Wie wirkt sich der Wirkungsgrad auf den Energieverbrauch aus?

:test_tube: 2. Viskosität – Verhalten, Bedeutung & Verarbeitungspunkte


:pushpin: Relevante Formel:

Vogel-Fulcher-Tammann-Gleichung (VFT-Gleichung):

log(η) = A + B / (T - T₀)
  • η: Viskosität in dPa·s
  • T: Temperatur in Kelvin [K]
  • A, B, T₀: materialspezifische Konstanten
    → Werte müssen aus Versuchsreihen oder Tabellen bestimmt werden

Die Formel beschreibt den extrem nichtlinearen Verlauf der Viskosität in Abhängigkeit von der Temperatur. Je höher die Temperatur, desto stärker sinkt die Viskosität – und umgekehrt.


:bar_chart: Tabelle: Viskositätspunkte von Kalk-Natron-Glas

Punktbezeichnung Viskosität [dPa·s] log(η) Temperatur [°C] Bedeutung in der Praxis
Gießpunkt 10² 2 ~1600 Beginn des freien Fließens
Einsinkpunkt 10⁴ 4 ~1040 Glas sinkt unter Eigengewicht in Form
Erweichungspunkt 10⁷,⁶ 7,6 ~970 Verformung möglich (z. B. Pressen, Blasen)
Transformationspunkt 10¹³,³ 13,3 ~525 Glas wird strukturell fest (Spannungsgrenze)
Raumtemperatur 10¹⁹ 19 ~20 Glas ist vollkommen starr

:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Die Viskosität entscheidet über alle Verarbeitungseigenschaften des Glases – also ob es sich gießen, pressen oder blasen lässt.
  • Glasarten unterscheiden sich durch das Viskositätsverhalten:
    • Kurze Gläser (z. B. Kalknatronglas): hohe Viskositätsänderung bei kleiner Temperaturdifferenz
    • Lange Gläser (z. B. Borosilikat): verformen sich über einen breiten Temperaturbereich gleichmäßig
  • Ein Glas mit log(η) = 13,3 (Transformationspunkt) beginnt, strukturell „fest“ zu werden. Die dort vorhandenen Spannungen bleiben im Glas „eingefroren“, wenn es zu schnell abkühlt.

:gear: Typische Formgebungsprozesse & zugehörige Viskositäten:

Verfahren Viskosität [dPa·s] Temperaturbereich [°C] Glasart
Pressen / Blasen 10⁴–10⁶ ~1000–1200 Kalk-Natron
Walzen / Floaten 10²–10⁴ ~1100–1400 Kalk-Natron
Glasbläserkunst (manuell) 10⁷–10⁹ ~850–1050 langes Glas
Faserglas ziehen 10⁵–10⁷ ~1000–1150 Borosilikat

:arrow_right: Je nach Zielprodukt ist eine gezielte Temperaturregelung für die richtige Viskosität unerlässlich.


:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Viskosität bei 1200 °C

Gegeben:

  • Temperatur: 1200 °C = 1473 K
  • A = -3,5
  • B = 6000
  • T₀ = 500 K

Berechnung:

log(η) = -3,5 + 6000 / (1473 - 500)  
log(η) = -3,5 + 6000 / 973 ≈ -3,5 + 6,17 = 2,67  
η = 10^2,67 ≈ 470 dPa·s  

:arrow_right: Das Glas ist gussfähig, aber noch relativ viskos. Ideal für Vorformprozesse oder dünnwandige Pressartikel.


:microscope: Prüfungswissen:

Fragetypen in Prüfungen:

  • Benennen Sie die wichtigsten Viskositätspunkte eines Glases.
  • Erläutern Sie die Bedeutung des Transformationspunkts.
  • Was bedeutet es, wenn ein Glas als „kurz“ bezeichnet wird?
  • Warum ist eine kontrollierte Abkühlung im Bereich von log(η) = 13 wichtig?
  • Berechnen Sie die Viskosität bei gegebener Temperatur mit A, B, T₀.

:bubbles: 3. Gasblasenaufstieg & Läuterung – Auftrieb im Glasbad (Stokes-Gleichung)


:pushpin: Relevante Formel:

Stokes-Gleichung zur Berechnung der Auftriebsgeschwindigkeit:

v = (2 · r² · Δρ · g) / (9 · η)
  • v: Auftriebsgeschwindigkeit der Gasblase [m/s]
  • r: Blasenradius [m]
  • Δρ: Dichteunterschied zwischen Glas und Gas [kg/m³]
  • g: Erdbeschleunigung ≈ 9,81 m/s²
  • η: Viskosität der Glasschmelze [Pa·s]

:bar_chart: Typische Werte für Kalknatronglas

Parameter Typischer Wert Einheit
Viskosität (η) bei 1300 °C 200 Pa·s
Dichte Glas 2500 kg/m³
Dichte Gas (z. B. CO₂) ~1 kg/m³
Blasendurchmesser (Ø) 0,5 – 2,0 mm
Radius (r) 0,25 – 1,0 mm = 0,00025–0,001 m
Δρ ~2500 kg/m³

:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Die Geschwindigkeit v beschreibt, wie schnell eine Gasblase unter gegebenen Bedingungen zur Glasoberfläche aufsteigt.
  • Eine zu hohe Viskosität (z. B. bei zu niedriger Temperatur) → langsamer Aufstieg → unzureichende Läuterung
  • Ziel der Läuterzone: Bedingungen schaffen, bei denen alle Gasblasen aus dem Glas entfernt werden können.

:arrow_right: Wichtig für:
:white_check_mark: Glasqualität (Blasenfreiheit)
:white_check_mark: Farbstabilität
:white_check_mark: mechanische Festigkeit


:test_tube: Läuterverfahren (chemisch, physikalisch, thermisch)

Läuterverfahren Beschreibung Beispiele
Thermische Läuterung Temperaturerhöhung senkt Viskosität → Blasen steigen schneller auf Läuterzone bei 1400–1500 °C
Chemische Läuterung Zugabe von Läutermitteln erzeugt Gasblasen zur Blasenverdrängung Sb₂O₃, As₂O₅, SnO₂
Physikalische Läuterung Strömungslenkung oder Elektrodenwirkung unterstützt Blasenaufstieg Konvektion, Elektroläuterung

:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Auftriebsgeschwindigkeit einer Blase

Gegeben:

  • r = 0,0005 m (0,5 mm Durchmesser)
  • Δρ = 2500 kg/m³
  • η = 200 Pa·s
  • g = 9,81 m/s²
v = (2 · (0,0005)² · 2500 · 9,81) / (9 · 200)  
v = (2 · 2,5e-7 · 2500 · 9,81) / 1800  
v ≈ (1,226e-2) / 1800 ≈ 6,81e-6 m/s = 6,81 µm/s

:arrow_right: Eine solche Blase benötigt über 2 Stunden, um 5 cm aufzusteigen!


:bar_chart: Einfluss des Radius auf v (bei konstanter Viskosität)

Radius r [mm] v [µm/s]
0,25 1,7
0,50 6,8
0,75 15,3
1,00 27,3

:pushpin: Geschwindigkeit steigt quadratisch mit dem Radius!


:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragen & Aufgaben:

  • Berechnen Sie die Auftriebsgeschwindigkeit einer Blase bei gegebenen Parametern.
  • Welche Maßnahmen verbessern die Läuterwirkung?
  • Warum ist der Temperaturbereich der Läuterzone höher als der Schmelzbereich?
  • Welche Funktion haben Sb₂O₃ und As₂O₅ im Läuterprozess?

:brick: 4. Spezifische Schmelzleistung – Effizienz und Flächenbedarf in der Wanne


:pushpin: Relevante Formel:

Berechnung der spezifischen Schmelzleistung:

P_spez = M / A
  • P_spez: spezifische Schmelzleistung [t/m²·d]
  • M: geschmolzene Glasmasse pro Tag [t/d]
  • A: effektive Schmelzfläche der Wanne [m²]

Diese Formel gibt an, wie viel Glasmasse auf 1 m² Wannenfläche pro Tag geschmolzen wird – ein entscheidender Faktor für Ofenauslegung, Temperaturführung und Energiebedarf.


:bar_chart: Tabelle: Richtwerte für verschiedene Wannenarten

Wannentyp Schmelzfläche [m²] Tagesleistung [t/d] P_spez [t/m²·d]
Behälterglaswanne (Standard) 20–40 40–100 2,0–2,5
Spezialglaswanne 10–20 10–25 1,0–1,5
Floatwanne (Flachglas) >80 >250 3,0–4,0
Röhrenglas-Schmelzofen 6–10 6–10 1,0–1,2

:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Die Schmelzleistung hängt nicht nur von Fläche, sondern stark vom Wärmeeintrag, der Schmelzrate des Gemenges und der Temperaturverteilung in der Wanne ab.
  • Bei Werten über 3,5 t/m²·d entstehen schnell Probleme:
    • Ungleichmäßige Erhitzung
    • Kurze Verweilzeiten
    • Unvollständige Läuterung
    • Erhöhte Korrosion der Feuerfestmaterialien

:pushpin: Besonders im Bereich Formgebung bei dünnwandigen Behältern oder bei starkem Scherbeneinsatz kann der effektive Wert künstlich steigen – aber nicht dauerhaft tragfähig sein!


:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Schmelzleistung

Gegeben:

  • Glasproduktion: 75 t/Tag
  • effektive Schmelzfläche: 30 m²
P_spez = 75 / 30 = 2,5 t/m²·d

:arrow_right: Typischer Wert für eine moderne Hohlglaswanne. Gutes Verhältnis aus Leistung, Läuterzeit und Energieeffizienz.


:bar_chart: Einfluss von Fläche und Leistung

Fläche A [m²] Leistung M [t/d] P_spez [t/m²·d]
15 30 2,0
20 60 3,0
25 75 3,0
30 90 3,0

:pushpin: Je kleiner die Fläche bei konstanter Leistung, desto höher die Belastung – größere thermische Beanspruchung!


:microscope: Praxisbezug – Wannenkonstruktion

  • Lange, breite Wannen für Floatglas benötigen homogene Erhitzung durch mehrere Brennerreihen und Zonensteuerung.
  • Spezialgläser (z. B. TV-Glas, Borosilikat) erfordern niedrige spezifische Schmelzleistungen zur Minimierung von Blasen und Spannungen.
  • Elektrowannen können durch punktuellen Wärmeeintrag gezielter arbeiten – Schmelzleistung kann höher sein, aber nur bei optimaler Stromverteilung.

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragestellungen:

  • Berechnen Sie die spezifische Schmelzleistung einer gegebenen Wanne.
  • Welche Folgen hat eine zu hohe Schmelzleistung?
  • Warum ist bei Spezialgläsern eine niedrigere Schmelzleistung vorteilhaft?
  • Wie beeinflusst die Fläche der Wanne die Leistungsparameter?

:fire: 5. Wärmekapazität – Energiebedarf durch Temperaturerhöhung


:pushpin: Relevante Formel:

Q = m · c_p · ΔT
  • Q: Wärmemenge [J oder MJ]
  • m: Masse des zu erhitzenden Glases [kg]
  • c_p: spezifische Wärmekapazität [J/kg·K]
  • ΔT: Temperaturdifferenz [K] (z. B. von Raumtemperatur auf Schmelztemperatur)

:bar_chart: Typische Werte der Wärmekapazität

Glastyp Wärmekapazität c_p [J/kg·K] Temperaturabhängig? Besonderheiten
Kalknatronglas 950–1100 Ja Anstieg bei hohen Temperaturen
Borosilikatglas 800–1000 Ja relativ temperaturstabil
Bleiglas 1100–1250 Ja höhere Dichte, aber höhere Wärmekapazität

:mag_right: Je höher die Wärmekapazität, desto mehr Energie ist nötig, um 1 kg Glas um 1 K zu erwärmen.


:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Die Wärmekapazität beschreibt die Fähigkeit eines Stoffes, thermische Energie zu speichern.
  • Sie ist temperaturabhängig: Mit zunehmender Temperatur nimmt sie in Gläsern leicht zu, da Atome sich stärker bewegen.
  • In der Glasproduktion ist sie ein Teil des theoretischen Wärmebedarfs:
    • zusammen mit ΔH_Reaktion ergibt sich die Gesamtenergie, die zugeführt werden muss.

:pushpin: Die Wärmekapazität wird häufig in Rechenaufgaben verwendet, um Vorerwärmprozesse, Glasbadstabilität oder den Energiebedarf bei Temperaturwechseln zu berechnen.


:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Energie für 1 Tonne Glas

Gegeben:

  • m = 1000 kg
  • c_p = 1050 J/kg·K
  • ΔT = 1475 K (von 25 °C auf 1500 °C)
Q = 1000 kg · 1050 J/kg·K · 1475 K = 1.548.750.000 J = 1,55 GJ

:arrow_right: Dies ist nur die sensible Wärme, ohne chemische Reaktionen (z. B. CO₂-Abspaltung).


:bar_chart: Tabelle: Energiebedarf pro Temperaturerhöhung (1000 kg Glas)

ΔT [K] c_p = 1000 J/kg·K Q [MJ]
500 500.000.000 500 MJ
1000 1.000.000.000 1000 MJ
1475 1.475.000.000 1475 MJ

:paperclip: Reine Temperaturerhöhung – chemische Reaktionswärme kommt separat dazu.


:microscope: Praxisbezug:

  • Wird Glas bei Störungen erneut aufgeheizt, ist Q direkt proportional zum Energieaufwand.
  • Je nach Zusammensetzung müssen Gläser auf unterschiedliche Temperaturen gebracht werden – bei Borosilikat reicht oft <1450 °C, bei Floatglas sind >1500 °C notwendig.
  • Glasreste, die rückgeführt werden (Scherben), benötigen weniger Energie, da sie keine Reaktionswärme mehr benötigen.

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Aufgaben & Fragen:

  • Berechnen Sie den Energiebedarf zur Erwärmung von 500 kg Glas um 1200 K.
  • Warum ist die Wärmekapazität bei Schmelzprozessen wichtig?
  • Wie verändert sich der Wärmebedarf bei unterschiedlichen Glasarten?
  • Wodurch kann der Bedarf gesenkt werden?

:thermometer: 6. Wärmestrom & Wärmeleitfähigkeit – Energiefluss im Glasofen


:pushpin: Relevante Formel: Fourier’sches Gesetz der Wärmeleitung

q = -λ · (ΔT / Δx)
  • q: Wärmestromdichte [W/m²]
  • λ: Wärmeleitfähigkeit [W/m·K]
  • ΔT: Temperaturdifferenz [K]
  • Δx: Materialdicke (z. B. Wandstärke) [m]
  • Minuszeichen: Wärme fließt vom Warmen zum Kalten

:bar_chart: Tabelle: Wärmeleitfähigkeit typischer Materialien

Material Wärmeleitfähigkeit λ [W/m·K] Bemerkung
Feuerfeststein (Ofenwand) 1,0–1,5 niedriger λ = gute Dämmung
Glas bei Raumtemperatur 0,8–1,1 relativ schlechter Wärmeleiter
Luft 0,026 sehr gute Isolierung (Basis für Dämmung)
Kupfer (Vergleich) ~390 hervorragender Wärmeleiter (Referenzwert)

:mag_right: Glasanlagen sollen möglichst Wärme zurückhalten → Materialien mit niedriger Wärmeleitfähigkeit sind entscheidend.


:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Der Wärmestrom q ist die Leistung pro Fläche, die durch ein Material fließt.
  • In Glasöfen entstehen Verluste durch:
    • Gewölbe, Wände, Boden, besonders in Altanlagen mit schlechter Isolierung
  • Eine dickere Wand oder ein geringerer Temperaturunterschied senkt q.
  • Zur Energieeinsparung werden heute Mehrschichtsysteme mit Leichtsteinen, Hochtemperaturmatten und Luftschichten kombiniert.

:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Wärmestrom durch eine Ofenwand

Gegeben:

  • λ = 1,2 W/m·K (Feuerfestmaterial)
  • ΔT = 1350 K (Innen: 1500 °C, Außen: 150 °C)
  • Δx = 0,3 m
q = -1,2 · (1350 / 0,3) = -1,2 · 4500 = -5400 W/m²

:arrow_right: 5,4 kW je Quadratmeter Ofenwand – bei 20 m² Fläche wären das >100 kW Gesamtverlust!


:bar_chart: Tabelle: Einfluss der Wanddicke auf q (bei λ = 1,2 W/m·K, ΔT = 1350 K)

Wandstärke Δx [m] q [W/m²]
0,15 10.800
0,30 5400
0,50 3240
0,75 2160

:arrow_right: Verdoppelt man die Wanddicke, halbiert sich der Wärmestrom.


:microscope: Praxisbezug:

  • Strahlungsverluste sind besonders kritisch bei dünnen Wänden oder ungedämmten Decken (Gewölbe).
  • Moderne Glasöfen nutzen:
    • Vakuumdämmplatten
    • Mehrschichtausmauerungen
    • Abwärmenutzung über Luftvorwärmer oder Abgaswärmetauscher
  • Alte Anlagen verlieren bis zu 30 % der eingesetzten Energie durch Leitung und Strahlung!

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragen:

  • Berechnen Sie den Wärmestrom durch eine Ofenwand bei gegebenen Werten.
  • Welche Materialien eignen sich zur Wärmeisolierung im Ofen?
  • Was versteht man unter Wärmeleitfähigkeit?
  • Wie beeinflusst die Wanddicke den Wärmestrom?

:straight_ruler: 7. Thermische Ausdehnung – Maßänderung und Spannungsentstehung


:pushpin: Relevante Formel:

Längenänderung durch Temperaturdifferenz:

ΔL = α · L₀ · ΔT
  • ΔL: Längenänderung [m]
  • α: Längenausdehnungskoeffizient [1/K]
  • L₀: Ursprungslänge [m]
  • ΔT: Temperaturdifferenz [K]

Mit dieser Formel lässt sich berechnen, wie stark sich ein Glaskörper beim Erwärmen oder Abkühlen ausdehnt oder zusammenzieht.


:bar_chart: Tabelle: Längenausdehnungskoeffizienten wichtiger Glasarten

Glastyp α [1/K] Verhalten / Besonderheiten
Kalknatronglas 9,0 · 10⁻⁶ Standardglas, mittel empfindlich
Borosilikatglas 3,3 · 10⁻⁶ sehr beständig gegen Temperaturwechsel
Bleiglas 11–13 · 10⁻⁶ weich, hohe Ausdehnung
Quarzglas <1,0 · 10⁻⁶ extrem temperaturbeständig, fast kein ΔL

:pushpin: Je kleiner α, desto temperaturwechselbeständiger ist das Glas.


:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Beim Erhitzen dehnt sich Glas aus – beim Abkühlen zieht es sich zusammen.
  • Unterschiedlich schnelle Abkühlung (z. B. außen schneller als innen) führt zu thermischen Spannungen, die bei Überschreitung der Festigkeit zu Sprungbildung oder Rissen führen.
  • Dies ist besonders kritisch bei:
    • dicken Gläsern
    • schneller Kühlung (z. B. Zugluft)
    • Verbund mit anderen Werkstoffen (Metall, Keramik)
  • Spannungen im Glas bleiben erhalten, wenn die Abkühlung unterhalb des Transformationspunkts (log η ≈ 13,3) zu schnell erfolgt – man spricht von eingefrorenen Spannungen.

:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Längenänderung eines Glastrogs

Gegeben:

  • Ausgangslänge L₀ = 1,20 m
  • Temperaturänderung ΔT = 600 K (z. B. 900 °C Abkühlung auf 300 °C)
  • Ausdehnungskoeffizient α = 9,0 · 10⁻⁶ 1/K
ΔL = 9e-6 · 1,2 m · 600 K = 0,00648 m = 6,48 mm

:arrow_right: Der Trog verlängert sich um 6,5 mm – das kann bei starrer Lagerung zu erheblichen Spannungen führen!


:bar_chart: Tabelle: Längenänderung bei Temperaturwechsel von 600 K

Glastyp α [1/K] L₀ = 1000 mm ΔL bei 600 K [mm]
Kalknatronglas 9,0 · 10⁻⁶ 1000 mm 5,4
Borosilikatglas 3,3 · 10⁻⁶ 1000 mm 2,0
Bleiglas 12 · 10⁻⁶ 1000 mm 7,2

:microscope: Praxisbezug:

  • Anlass- und Abkühlkurven müssen auf den Ausdehnungskoeffizienten des Glases abgestimmt sein → Vermeidung von Spannungsrissen.
  • Glas-Metall-Verbindungen erfordern abgestimmte α-Werte – sonst entstehen bei Erwärmung/Auskühlung Haftungsverluste oder Materialbrüche.
  • In der Glaskunst, Lampentechnik oder in Isolierglas kann falsche Abkühlung durch zu starke α-Differenzen zu Spontanbruch führen.

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragen:

  • Berechnen Sie die Längenänderung eines Glasteils bei Temperaturdifferenz X.
  • Welche Auswirkungen hat eine ungleichmäßige Abkühlung auf Glas?
  • Warum benötigt Borosilikatglas keine spezielle Kühlführung?
  • Nennen Sie zwei typische Folgen thermischer Spannungen im Glas.

:test_tube: 8. Lambda-Zahl (λ) & Redoxverhalten – Steuerung der Atmosphäre im Glasofen


:pushpin: Relevante Formel: Berechnung der Lambda-Zahl

λ = (21 - O₂%) / (21 · (1 - O₂% / 100))
  • λ: Luftzahl, Verhältnis von tatsächlicher zu stöchiometrisch notwendiger Sauerstoffmenge
  • O₂%: gemessener Sauerstoffanteil im Abgas [%]
  • Die Formel basiert auf der Annahme, dass Luft 21 % Sauerstoff enthält.

:bar_chart: Tabelle: Lambda-Werte und Bedeutung

Sauerstoffgehalt O₂ [%] Lambda (λ) Atmosphäre Wirkung im Schmelzprozess
0 stark reduzierend gefährlich → Knallgasgefahr
1 1,05 leicht oxidierend Standard für klare Gläser
2 1,11 oxidierend bevorzugt Oxidationsstufen wie Fe³⁺
3 1,19 oxidierend typisch für Weißglasproduktion
7 1,4 stark oxidierend extreme Oxidation → Farbumschläge möglich

:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Die Lambda-Zahl ist entscheidend für die Steuerung des Redox-Gleichgewichts im Glasschmelzprozess.
  • Ist λ < 1, so liegt Luftmangel vor → reduzierende Atmosphäre
    ⇒ z. B. Fe³⁺ → Fe²⁺ → grünes Glas
  • Ist λ > 1, so liegt Luftüberschuss vor → oxidierende Atmosphäre
    ⇒ z. B. Fe²⁺ → Fe³⁺ → gelblich / klar
  • Besonders bei Farbgläsern (Braun, Grün, Blau) wird gezielt mit der Atmosphäre gearbeitet.

:arrows_counterclockwise: Typische Redoxsysteme im Glas:

Redoxpaar Reduzierte Form Farbe/Verhalten Oxidierte Form Farbe/Verhalten
Eisen (Fe) Fe²⁺ grün Fe³⁺ gelblich/klar
Mangan (Mn) Mn²⁺ farblos Mn³⁺ violett
Schwefel (S) S²⁻ blaugrün SO₄²⁻ farblos
Chrom (Cr) Cr³⁺ grün Cr⁶⁺ gelb
Kobalt (Co²⁺) Co²⁺ blau

:arrow_right: Das Farbergebnis hängt vom Oxidationszustand des Ions ab – dieser wiederum von der Luftzahl (λ).


:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Lambda-Zahl bei 3 % O₂ im Abgas

λ = (21 - 3) / (21 · (1 - 3 / 100))  
λ = 18 / (21 · 0,97) = 18 / 20,37 ≈ 0,884

:arrow_right: λ < 1 → Atmosphäre ist reduzierend → z. B. Fe³⁺ wird zu Fe²⁺ → Grünglasbildung wird gefördert.


:bar_chart: Anwendung auf Glasfarben – Beispiel Braun- und Grünglas

Glasart bevorzugte Atmosphäre Typische Additive Zielreaktion
Weißglas oxidierend (λ > 1,2) Mangan, Antimon Entfärbung (Fe²⁺ → Fe³⁺, S²⁻ → SO₄²⁻)
Braunglas leicht reduzierend Eisen, Schwefel, Kohlenstoff Bildung von Fe²⁺, S²⁻, evtl. C-Rest
Grünglas reduzierend (λ < 1) Eisen (natürlich), evtl. Cr Förderung von Fe²⁺ + Cr³⁺

:microscope: Praxisbezug:

  • Die Abgas-Sauerstoffmessung ist ein Standardparameter bei der Ofenüberwachung. Sie steuert:
    • Energiezufuhr
    • Gemenge-Oxidationsverhalten
    • Farbstabilität
  • Besonders in Mehrwannenanlagen (Weiß + Grün + Braun gleichzeitig) wird die Atmosphäre gezielt je Wanne angepasst.
  • Bei zu starker Reduktion drohen:
    • Trübungen durch Metallperlenbildung (Fe, Sn)
    • Gasblasen durch Schwefelgasbildung

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragen:

  • Erklären Sie den Einfluss der Lambda-Zahl auf die Glasfarbe.
  • Wodurch wird der Oxidationszustand eines Ions im Glas beeinflusst?
  • Wie verändert sich λ bei steigendem Sauerstoffgehalt im Abgas?
  • Welche Gefahr besteht bei λ < 1?

:zap: 9. Joulesche Wärme – Elektrischer Energieeintrag in der Glasschmelze


:pushpin: Relevante Formel:

Joulesche Wärmemenge:

Q = I² · R · t
  • Q: erzeugte Wärmeenergie [J]
  • I: Stromstärke [A]
  • R: elektrischer Widerstand des Mediums [Ω]
  • t: Zeit [s]

Diese Formel beschreibt, wie viel Wärme bei einem Stromfluss durch einen elektrischen Leiter oder das Glasbad selbst erzeugt wird.


:bar_chart: Übersicht: Typische Werte für Elektroschmelzanlagen

Parameter Typischer Wert Einheit
Stromstärke (I) 300 – 2000 A
Widerstand (R) 0,0005 – 0,003 Ω
Heizzeit pro Tag (t) 86.400 s (24 h)
Gesamtleistung (Q/t) 100 – 800 kW
Spannung (U) 100 – 600 V

:arrow_right: Elektroschmelzöfen oder Zusatzheizungen sind besonders energieeffizient:
Wirkungsgrad oft >80 %, da Energie direkt ins Glas eingetragen wird – ohne Umwege über Brenner oder Abgasführung.


:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Joulesche Wärme entsteht bei Durchleitung von Strom durch einen elektrischen Widerstand.
  • In der Glastechnik wird dieser Effekt genutzt in:
    • Bodenelektroden: Strom fließt durch das Glasbad → direkte Erwärmung
    • Elektrozusatzheizungen (EZH): Temperaturverteilung in kritischen Ofenbereichen verbessern
    • Voll-elektrische Wannen: besonders bei kleinen Mengen und Spezialgläsern

:pushpin: Besonders in Wannen mit hohem Scherbeneinsatz oder bei niedrigem Energiebedarf pro t Glas ist die elektrische Beheizung vorteilhaft.


:triangular_ruler: Rechenbeispiel – erzeugte Energie durch Bodenelektrode

Gegeben:

  • Strom I = 600 A
  • Widerstand R = 0,0015 Ω
  • Heizzeit t = 1 Stunde = 3600 s
Q = 600² · 0,0015 · 3600 = 360.000 · 0,0015 · 3600  
Q = 540 · 3600 = 1.944.000 J = 1,94 MJ ≈ 0,54 kWh

:arrow_right: In einer Stunde wird pro Elektrode ca. 0,5 kWh direkt ins Glas eingebracht – bei mehreren Elektroden entsprechend mehr.


:bar_chart: Tabelle: Energieerzeugung bei verschiedenen Stromstärken

Stromstärke I [A] R = 0,0015 Ω Zeit = 1 h Q [MJ]
400 0,0015 3600 s 0,87
600 0,0015 3600 s 1,94
800 0,0015 3600 s 3,46
1000 0,0015 3600 s 5,4

:arrow_right: Die Wärme wächst quadratisch mit dem Strom – kleine Erhöhungen beim Strom haben große Wirkung!


:microscope: Praxisbezug:

  • Der Vorteil der Jouleschen Wärme:
    Keine Energieverluste durch Abgase, keine Brennerabstrahlung nötig
  • Sie erlaubt sehr präzise Temperatursteuerung in der Läuterzone oder bei homogenitätskritischen Produkten
  • Einsatz besonders bei:
    • Spezialglas
    • Geringem Durchsatz
    • Höchster Homogenitätsanforderung

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragen:

  • Berechnen Sie die erzeugte Energie bei gegebener Stromstärke, Widerstand und Zeit.
  • Welche Vorteile bietet die elektrische Zusatzheizung in der Glasschmelze?
  • Warum ist die Joulesche Wärme in der Glasindustrie effizienter als Gasfeuerung?

:stars: 10. Strahlungsverluste & Stefan-Boltzmann-Gesetz – Energieabgabe durch heiße Oberflächen


:pushpin: Relevante Formel: Stefan-Boltzmann-Gleichung

P = ε · σ · A · T⁴
  • P: Strahlungsleistung [W]
  • ε: Emissionsgrad der Oberfläche (0–1)
  • σ: Stefan-Boltzmann-Konstante (5,67 · 10⁻⁸ W/m²K⁴)
  • A: Fläche der abstrahlenden Oberfläche [m²]
  • T: absolute Temperatur [K]

Die Formel beschreibt die gesamte thermische Strahlung eines Körpers – in der Glastechnik wichtig zur Berechnung der Wärmeverluste durch Gewölbe, Oberflächen und offene Öffnungen.


:bar_chart: Tabelle: Emissionsgrade typischer Materialien

Material / Zustand Emissionsgrad ε Bemerkung
Schwarzer Strahler 1,00 Idealisierter Wert (für Berechnungen oft angesetzt)
Gewölbestein (oxidiert) 0,80 – 0,95 je nach Alter und Materialtyp
Stahlblech (oxidiert) 0,60 – 0,80 z. B. Rohrwände
Glasoberfläche (innen) 0,85 – 0,92 Schmelzbad, Läuterzone

:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Die Strahlungsleistung wächst mit der vierten Potenz der Temperatur (T⁴) → bei 1500 K ist sie 16x so hoch wie bei 750 K.
  • Hauptwärmeverluste entstehen nicht durch die Flamme direkt, sondern durch die erhitzte Decke (Gewölbe) und offene Bereiche:
    • Öffnungen im Gewölbe (z. B. Schauöffnungen)
    • Materialübergabestellen
    • Mangelhafte Isolierung

:pushpin: Bereits eine Öffnung von 0,5 m² bei 1500 °C strahlt ca. 265 kW Verlustleistung ab!


:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Strahlungsverlust durch Gewölbefläche

Gegeben:

  • ε = 0,9
  • A = 4 m² (Oberfläche eines Gewölbeabschnitts)
  • T = 1600 °C = 1873 K
  • σ = 5,67·10⁻⁸ W/m²K⁴
P = 0,9 · 5,67e-8 · 4 · (1873)⁴ ≈ 0,9 · 5,67e-8 · 4 · 1,23e13  
P ≈ 0,9 · 5,67e-8 · 4 · 12300000000000 ≈ 0,9 · 5,67e-8 · 49200000000000  
P ≈ 0,9 · 2785 W ≈ 2506 W ≈ 2,5 kW

:arrow_right: Selbst kleine Oberflächen bei hohen Temperaturen verursachen große Verluste!


:bar_chart: Tabelle: Strahlungsleistung bei unterschiedlichen Temperaturen (ε = 0,9, A = 1 m²)

Temperatur [°C] Temperatur [K] Strahlungsleistung [W]
800 1073 ca. 600
1000 1273 ca. 1080
1300 1573 ca. 2000
1500 1773 ca. 2800
1600 1873 ca. 3200

:microscope: Praxisbezug:

  • In Glaswannen macht der Strahlungsanteil > 70 % des Gesamtwärmeeintrags aus – aber auch den größten Verlustfaktor, insbesondere bei vernachlässigter Dämmung.
  • Energieeinsparungen durch:
    • geschlossene Öffnungen
    • hochreflektierende Innenmaterialien
    • mehrlagige Gewölbedämmung

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragen:

  • Berechnen Sie die Strahlungsverluste bei einer gegebenen Temperatur und Fläche.
  • Wodurch entstehen hohe Strahlungsverluste in der Glaswanne?
  • Warum steigt der Wärmeverlust überproportional mit der Temperatur?
  • Nennen Sie Maßnahmen zur Reduktion von Strahlungsverlusten.

:boom: 11. Thermische Spannungen & Eigenspannung im Glas


:pushpin: Relevante Formel (nach Reissner):

Abschätzung der Oberflächendruckspannung bei Vorspannung:

σ_D = (α · E · (Tg – T_K)) / (1 – μ)
  • σ_D: Druckspannung an der Oberfläche [Pa]
  • α: thermischer Ausdehnungskoeffizient [1/K]
  • E: Elastizitätsmodul des Glases [Pa]
  • Tg: Temperatur beim Einfrieren der Struktur (Transformationspunkt) [K]
  • T_K: Temperatur des Kühlmittels (z. B. Luft) [K]
  • μ: Querkontraktionszahl des Glases (≈ 0,2)

Diese Formel beschreibt die Vorspannung, die bei einer kontrollierten Abschreckung (z. B. bei Einscheibensicherheitsglas) durch Einfrieren des Temperaturprofils entsteht.


:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Beim schnellen Abkühlen wird die Außenschicht des Glases zuerst fest, das Innere bleibt länger heiß und will sich beim Abkühlen zusammenziehen.
  • Da das äußere Glas bereits „starr“ ist, entsteht:
    • Zugspannung im Kern
    • Druckspannung an der Oberfläche
  • Diese Druckvorspannung verhindert die Bildung von Rissen – deshalb ist vorgespanntes Glas wesentlich bruchfester.

:pushpin: Besonders bei Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) kann die Biegefestigkeit verdoppelt bis verdreifacht werden.


:bar_chart: Typische Werkstoffwerte zur Berechnung

Eigenschaft Kalknatronglas (Standard) Einheit
α (therm. Ausdehnung) 9,0 · 10⁻⁶ 1/K
E (Elastizitätsmodul) 70 · 10⁹ Pa
μ (Poissonzahl) 0,2
Tg (Transformationspunkt) 800 K (ca. 527 °C) K
T_K (Kühlmitteltemperatur) 300 K (ca. 27 °C) K

:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Druckvorspannung bei ESG

σ_D = (9e-6 · 70e9 · (800 - 300)) / (1 - 0,2)  
σ_D = (9e-6 · 70e9 · 500) / 0,8  
σ_D = (9 · 70 · 500 · 10³) / 0,8  
σ_D = 31500000 / 0,8 ≈ 39,4 MPa

:arrow_right: Ergebnis: 39,4 MPa Druckspannung an der Oberfläche
(typisch für ESG liegt der Wert bei 40–120 MPa)


:bar_chart: Spannungsverlauf im vorgespannten Glas

Zone Spannungstyp Maximale Größe
Oberflächenschicht Druckspannung bis 150 MPa
Kernbereich Zugspannung ca. 50 % des Drucks
Übergangszone Neutralbereich Spannung = 0

:pushpin: Die Spannungen verlaufen parabelförmig über die Dicke – dies ergibt das typische Bruchbild bei ESG: viele kleine, stumpfe Glaskrümel.


:microscope: Praxisbezug:

  • Vorspannung ist entscheidend für:
    • mechanische Belastbarkeit
    • Schlagzähigkeit
    • Bruchsicherheit bei thermischem Schock
  • Anwendung z. B. in:
    • Fahrzeugglas (Seitenscheiben, Heckscheiben)
    • Glastüren, Trennwände, Duschkabinen
    • Sicherheitsglas in Architektur
  • Nachträgliche Bearbeitung von ESG (z. B. Bohren) → nicht möglich, da Spannungszustand zerstört wird!

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Aufgaben:

  • Berechnen Sie die Oberflächenspannung bei bekanntem Temperaturgradient.
  • Erklären Sie, wie Eigenspannungen im Glas entstehen.
  • Was bewirkt die Druckvorspannung im Glas?
  • Warum ist ESG nachbearbeitbar? Warum nicht?

:battery: 12. Spezifischer Energieverbrauch – Energieaufwand pro Tonne Glas


:pushpin: Relevante Formel:

Q_spez = Q_gesamt / m_Glas
  • Q_spez: spezifischer Energieverbrauch [MJ/kg] oder [GJ/t]
  • Q_gesamt: gesamte eingesetzte Energie pro Tag / Schmelzperiode [MJ oder GJ]
  • m_Glas: produzierte Glasmasse im selben Zeitraum [kg oder t]

Diese Formel ermöglicht es, die Energieeffizienz anlagenunabhängig zu bewerten – z. B. bei Benchmarkvergleichen oder Energieaudits.


:bar_chart: Typische Werte aus der Praxis

Glasart Spezifischer Verbrauch [GJ/t] Bemerkung
Behälterglas 4,7 mit Scherben, moderne Wanne
Flachglas (Float) 6,5 lange Wanne, hohe Temperatur nötig
Spezialglas bis 9,4 z. B. Bleiglas, Borosilikat, geringe Mengen
Elektrowanne 2,2 – 3,5 bei hoher Effizienz, kleine Mengen

:arrow_right: Die Werte beinhalten sämtliche Verluste: Abgas, Strahlung, Leerwärme, Wannenverluste, Auskühlung.


:brain: Fachliche Erläuterung:

  • Der spezifische Verbrauch berücksichtigt die Gesamtanlage, nicht nur den Wärmeeintrag:
    • Schmelzofen
    • Läuterbereich
    • Vorherd
    • Elektroden- und Zusatzsysteme
  • Besonders hohe Werte entstehen bei:
    • hohem Frischgemengeanteil (kein Scherben)
    • unterbrochener Produktion
    • ungünstiger Wartung / Dämmung
  • Besonders niedrige Werte durch:
    • hohen Scherbenanteil
    • gute Abwärmenutzung
    • hohe Schmelzleistung pro Fläche

:triangular_ruler: Rechenbeispiel – Spezifischer Verbrauch berechnen

Gegeben:

  • Gesamtenergiebedarf am Tag: 350 GJ
  • Tagesleistung: 75 t
Q_spez = 350 GJ / 75 t = 4,67 GJ/t

:arrow_right: Typischer Wert für effiziente Behälterglasproduktion mit Scherbeneinsatz


:bar_chart: Tabelle: Einfluss des Scherbenanteils auf den Verbrauch

Scherbenanteil [%] Energiebedarf [GJ/t]
0 6,0 – 6,5
25 5,5
50 4,7
70 4,2 – 4,5

:pushpin: Scherben benötigen keine Reaktionsenergie → Einsparung von 20–30 %


:microscope: Praxisbezug:

  • Energiekennzahlen sind Grundlage für:
    • Wirtschaftlichkeitsrechnungen
    • CO₂-Bilanzierung
    • Förderanträge (z. B. EEW, KfW, BAFA)
  • Anlagen mit gleicher Leistung können sehr unterschiedliche Verbrauchswerte haben – Wartung, Dämmung und Steuerung entscheiden!
  • Spezialgläser mit langem Läuterbedarf liegen fast immer deutlich über 8 GJ/t.

:books: Prüfungsrelevanz:

Typische Fragen:

  • Berechnen Sie den spezifischen Energieverbrauch bei gegebenen Werten.
  • Warum senkt Scherbeneinsatz den Energiebedarf?
  • Welche Maßnahmen verbessern den Energieverbrauch eines Glasofens?
  • Was bedeutet ein Verbrauch von 9,4 GJ/t in Bezug auf Wirtschaftlichkeit?

:books: 13. Übersicht: Alle wichtigen Formeln der Glastechnik auf einen Blick


:1234: Tabellenübersicht – Formeln, Bedeutung & Einheiten

Nr. Thema Formel Einheit / Ergebnis
1 Theoretischer Wärmebedarf Q_th = m · c_p · ΔT + ΣΔH_Reaktion MJ oder kJ
2 Realer Energiebedarf Q_real = Q_th / η MJ/kg
3 Viskositätsberechnung (VFT) log(η) = A + B / (T - T₀) log[dPa·s]
4 Auftriebsgeschwindigkeit (Stokes) v = (2 · r² · Δρ · g) / (9 · η) m/s
5 Spez. Schmelzleistung P_spez = M / A t/m²·d
6 Wärmekapazität Q = m · c_p · ΔT J oder MJ
7 Wärmestrom (Fourier) q = -λ · (ΔT / Δx) W/m²
8 Thermische Längenausdehnung ΔL = α · L₀ · ΔT m
9 Lambda-Zahl (Luftzahl) λ = (21 - O₂%) / (21 · (1 - O₂% / 100)) dimensionslos
10 Joulesche Wärme (elektrisch) Q = I² · R · t J
11 Strahlungsverlust (Stefan-Boltz) P = ε · σ · A · T⁴ W
12 Eigenspannung / Vorspannung σ_D = (α · E · (Tg – T_K)) / (1 – μ) Pa oder MPa
13 Spezifischer Energieverbrauch Q_spez = Q_gesamt / m_Glas GJ/t oder MJ/kg

:brain: Anwendungsschlüssel:

Symbol Bedeutung Einheit
m Masse des Glases oder Gemenges kg
c_p spezifische Wärmekapazität J/kg·K
ΔT Temperaturdifferenz K
ΔH Reaktionswärme (z. B. Carbonate) J/kg
η Wirkungsgrad (z. B. Schmelzofen) % bzw. 0–1
λ Wärmeleitfähigkeit W/m·K
α Längenausdehnungskoeffizient 1/K
σ Stefan-Boltzmann-Konstante 5,67 · 10⁻⁸ W/m²K⁴
ε Emissionsgrad 0–1
T Temperatur (absolut in Kelvin) K
L₀ Ausgangslänge m
r Radius einer Blase m
v Auftriebsgeschwindigkeit m/s
P_spez spezifische Schmelzleistung t/m²·d
Q_spez spezifischer Energieverbrauch MJ/kg oder GJ/t