Musterprüfung 1 – Technik HQ
Geprüfte/r Industriemeister/in – Fachrichtung Glas
Handlungsbereich: Technik
Dauer: 270 Minuten
Hilfsmittel: Taschenrechner, Formelsammlung, Periodensystem (falls freigegeben)
Aufgabe 1: Elektrodenmaterialien und Verschaltung
Ein Glaswerk plant den Einsatz eines Elektroofens zur Schmelze von Borosilikatglas. Die Anforderungen an die Glasqualität sind hoch, und es soll möglichst gleichmäßige Wärmeverteilung bei geringer Elektrodenabnutzung erreicht werden.
a) Begründen Sie, warum Platin-Elektroden für diesen Einsatz geeignet sind.
b) Nennen Sie zwei mögliche Nachteile beim Einsatz von Platin-Elektroden.
c) Welche Schaltungsarten von Elektroden sind in einer Elektrowanne möglich? Nennen Sie drei mit jeweiliger kurzer technischer Erklärung.
d) Bei einer Wanne mit quadratischem Querschnitt wird eine spezielle Schaltung bevorzugt. Welche ist dies und warum?
Lösung
a)
Platin-Elektroden sind sehr widerstandsfähig gegenüber chemischen Angriffen und zeigen nur geringe Abnutzung bei hohen Temperaturen. Sie erlauben eine hohe Stromdichte bis 2 A/cm² und sind somit ideal für Anwendungen mit hohen Qualitätsanforderungen wie Borosilikatglas.
b)
- Sehr hohe Materialkosten
- Gefahr der kolloidalen Zerstäubung bei Einsatz von 50 Hz Wechselstrom, insbesondere bei reduzierender Schmelze
c)
- Reihenschaltung: mehrere Heizstrecken hintereinander bei geringer Betriebsspannung
- Parallelschaltung: großflächige Temperaturverteilung bei gleichmäßiger Stromdichte
- Dreieckschaltung (Drehstrom): kompakte Leistungszufuhr auf engem Raum
d)
Die Scott-Schaltung ist hier besonders geeignet, da sie aus einem Dreiphasennetz einen Zweiphasenstrom erzeugt. Dies passt gut zur quadratischen Anordnung und ermöglicht gleichmäßige Stromverteilung in rechteckigen Elektrodenkonstruktionen.
Aufgabe 2: Gemengesatzberechnung für ein Weißglas
Ein Glaswerk plant die Herstellung von 100 kg Weißglas mit folgender chemischer Zielzusammensetzung:
Oxid | Gewichtsanteil [%] |
---|---|
SiO₂ | 72,5 |
Na₂O | 13,0 |
CaO | 10,0 |
MgO | 4,0 |
Al₂O₃ | 0,5 |
Verwendet werden folgende Rohstoffe:
Rohstoff | Zusammensetzung (in Gew.-%) |
---|---|
Quarzsand | 99,5 % SiO₂ |
Soda (Na₂CO₃) | 58,5 % Na₂O |
Dolomit (CaCO₃·MgCO₃) | 30,4 % CaO, 21,7 % MgO |
Feldspat | 69,0 % SiO₂, 19,0 % Al₂O₃, 12,0 % K₂O (K₂O wird vernachlässigt) |
Kalk (CaCO₃) | 56,0 % CaO |
Aufgabe:
Berechnen Sie die Rohstoffmengen (in kg, auf 2 Nachkommastellen gerundet), die benötigt werden, um 100 kg Glas mit obiger Zielzusammensetzung zu erzeugen.
Lösung
Schritte:
-
Oxidmengen berechnen (in kg):
SiO₂ = 72,5 % von 100 kg = 72,50 kg Na₂O = 13,0 kg CaO = 10,0 kg MgO = 4,0 kg Al₂O₃ = 0,5 kg
-
Al₂O₃ durch Feldspat decken:
- Feldspat enthält 19 % Al₂O₃ →
0,5 kg / 0,19 = 2,63 kg Feldspat
- Feldspat enthält 19 % Al₂O₃ →
-
Beitrag Feldspat zu SiO₂:
2,63 kg * 0,69 = 1,82 kg SiO₂
-
Restlicher SiO₂-Bedarf:
72,50 kg – 1,82 kg = 70,68 kg
→ durch Quarzsand:
70,68 kg / 0,995 = 71,04 kg Quarzsand
-
Na₂O durch Soda (58,5 %):
13,0 kg / 0,585 = 22,22 kg Soda
-
CaO durch Kalk und Dolomit:
- Setze x = Kalkmenge, y = Dolomitmenge
0,56x + 0,304y = 10,0 0,217y = 4,0 → y = 18,43 kg → x = (10 – 0,304*18,43) / 0,56 = 9,18 kg
- Setze x = Kalkmenge, y = Dolomitmenge
Ergebnis (gerundet):
Rohstoff | Menge in kg |
---|---|
Quarzsand | 71,04 |
Soda | 22,22 |
Dolomit | 18,43 |
Kalk | 9,18 |
Feldspat | 2,63 |
Prüfsumme: 123,5 kg → Korrekturfaktor für 100 kg Glas:
100 kg / 123,5 kg = 0,81
Endgültige Einwaagen:
Rohstoff | Einwaage (gerundet) |
---|---|
Quarzsand | 71,04 * 0,81 = 57,54 kg |
Soda | 22,22 * 0,81 = 18,00 kg |
Dolomit | 18,43 * 0,81 = 14,93 kg |
Kalk | 9,18 * 0,81 = 7,43 kg |
Feldspat | 2,63 * 0,81 = 2,13 kg |
Aufgabe 3: Wärmetechnische Bewertung eines Schmelzprozesses
In einem Glaswerk wird ein Kalk-Natronglas in einer Schmelzwanne geschmolzen. Die durchschnittliche Zusammensetzung des Gemenges ist wie folgt:
Oxid | Anteil [%] |
---|---|
SiO₂ | 72,5 |
Na₂O | 13,0 |
CaO | 10,0 |
Rest | 4,5 |
Es wird ein täglicher Schmelzdurchsatz von 250 t Glas/Tag erzielt. Der theoretische Wärmebedarf liegt bei 1,9 MJ/kg Glas, der reale Energieeinsatz beträgt 2,8 MJ/kg Glas.
a) Ermitteln Sie den theoretischen Gesamtwärmebedarf der Wanne pro Tag.
b) Ermitteln Sie den tatsächlichen Energieeinsatz pro Tag.
c) Berechnen Sie den energetischen Wirkungsgrad der Wanne.
d) Nennen Sie zwei Möglichkeiten, wie sich der Wirkungsgrad eines Schmelzofens verbessern lässt.
Lösung
a)
Q_theo = Masse_Glas * Energiebedarf_theo
Q_theo = 250000 kg * 1,9 MJ/kg = 475000 MJ/Tag
b)
Q_real = Masse_Glas * Energiebedarf_real
Q_real = 250000 kg * 2,8 MJ/kg = 700000 MJ/Tag
c)
η = (Q_theo / Q_real) * 100
η = (475000 / 700000) * 100 = 67,86 %
d)
Möglichkeiten zur Wirkungsgradverbesserung:
- Einsatz von Regeneratoren zur Vorwärmung der Verbrennungsluft
- Erhöhung des Scherbeneinsatzes (Scherben benötigen weniger Energie)
- Minimierung der Wandverluste durch bessere Isolierung
- Optimierung der Verbrennung (z. B. Flammenführung, EZH-Steuerung)
Aufgabe 4: Struktur von Glas und ihre Auswirkungen
Glas ist ein amorpher Werkstoff mit spezifischen Eigenschaften, die aus seiner Struktur resultieren.
a) Erklären Sie den Begriff „amorph“ im Zusammenhang mit der Struktur von Glas.
b) Nennen Sie zwei Unterschiede zwischen kristallinen und amorphen Festkörpern.
c) Beschreiben Sie, wie sich die amorphe Struktur auf die thermischen Eigenschaften von Glas auswirkt.
d) Nennen Sie zwei Gründe, warum Glas keinen definierten Schmelzpunkt, sondern einen Schmelzbereich besitzt.
Lösung
a)
Der Begriff „amorph“ bedeutet, dass die Atome oder Ionen im Glas keine regelmäßige, periodische Anordnung wie in Kristallen aufweisen. Die Struktur ist ungeordnet, jedoch auf kurzer Distanz (Nahordnung) regelmäßig.
b)
Unterschiede:
- Kristallin: regelmäßige Gitterstruktur, definierter Schmelzpunkt
- Amorph: ungeordnete Struktur, kontinuierlicher Übergang beim Erweichen (Schmelzbereich)
c)
Aufgrund der amorphen Struktur besitzt Glas keinen exakten Schmelzpunkt. Stattdessen verändert sich bei steigender Temperatur kontinuierlich die Viskosität. Es zeigt ein viskoelastisches Verhalten und wird mit zunehmender Temperatur immer weicher.
d)
- Die unregelmäßige Anordnung der Glasbausteine erlaubt keinen plötzlichen Übergang wie bei Kristallen.
- Es gibt keine einheitlichen Kristallgitter, die sich gleichzeitig auflösen würden. Deshalb beginnt das Erweichen bereits bei niedrigeren Temperaturen und setzt sich über einen Bereich fort.
Aufgabe 5: Bestimmung des Erdgasverbrauchs pro Tonne Glas
In einem Glaswerk wird ein Kalk-Natronglas im Tagesdurchsatz von 180 Tonnen/Tag hergestellt. Als Brennstoff wird Erdgas (Methan, CH₄) eingesetzt. Die Verbrennungswärme von Methan beträgt 35,8 MJ/m³.
Die Messungen zeigen, dass zur Erzeugung von 1 Tonne Glas 2,5 MWh Energie notwendig sind.
a) Rechnen Sie den Energiebedarf pro Tonne Glas in MJ um.
b) Berechnen Sie den Erdgasverbrauch pro Tonne Glas in m³.
c) Wie viel Erdgas wird täglich für die Schmelze benötigt?
d) Nennen Sie zwei mögliche Faktoren, die den Gasverbrauch negativ beeinflussen können.
Lösung
a)
Umrechnung von MWh in MJ:
1 MWh = 3.600 MJ
E_1t = 2,5 MWh = 2,5 * 3600 = 9000 MJ pro Tonne Glas
b)
Gasverbrauch pro Tonne Glas:
V_gas = Energiebedarf / Brennwert
V_gas = 9000 MJ / 35,8 MJ/m³ = 251,40 m³/Tonne
c)
Tagesbedarf bei 180 Tonnen/Tag:
V_gas_gesamt = 251,40 m³/t * 180 t = 45.252 m³/Tag
d)
Mögliche Einflussfaktoren auf erhöhten Gasverbrauch:
- Ungünstige Flammenführung / schlechte Brennerauslegung
- Undichtigkeiten in der Wannenisolierung / hohe Strahlungsverluste
- Zu niedriger Scherbeneinsatz (mehr Energie für chemische Reaktionen nötig)
- Mangelhafte Wärmerückgewinnung (z. B. verschmutzte Regeneratoren)
Aufgabe 6: Netzwerkbildner, Netzwerkwandler und Zwischenoxide
Glas besteht aus verschiedenen Oxidkomponenten, die unterschiedliche Funktionen in der Glasstruktur übernehmen.
a) Erläutern Sie die Rolle eines Netzwerkbildners im Glas.
b) Nennen Sie zwei typische Netzwerkbildner mit ihrer chemischen Summenformel.
c) Was ist ein Netzwerkwandler? Welche Wirkung hat er auf die Glasstruktur?
d) Was versteht man unter einem Zwischenoxid? Nennen Sie ein Beispiel und beschreiben Sie seine Wirkung.
Lösung
a)
Netzwerkbildner (NB) sind Oxide, die durch starke Bindungskräfte – insbesondere zu Sauerstoff – ein stabiles Glasnetzwerk aufbauen. Sie bilden das Grundgerüst der Glasstruktur durch tetraedrische oder andere regelmäßige Anordnungen.
b)
Typische Netzwerkbildner:
- Siliziumdioxid (SiO₂)
- Borsäureanhydrid (B₂O₃)
c)
Netzwerkwandler (NW) „sprengen“ das Glasnetzwerk. Ihre positiv geladenen Ionen (z. B. Na⁺, K⁺, Ca²⁺) lagern sich in die Zwischenräume ein und reduzieren die Verknüpfung des Netzwerkes. Dies führt zu:
- niedrigeren Schmelztemperaturen
- höherer thermischer Ausdehnung
- geringerer chemischer Beständigkeit
d)
Zwischenoxide (ZO) nehmen eine mittlere Stellung ein. Sie können je nach Umgebung sowohl netzwerkbildend als auch -lockernd wirken.
Beispiel: Al₂O₃ (Aluminiumoxid)
→ erhöht Festigkeit, verbessert chemische Beständigkeit, reduziert Blasenbildung
Aufgabe 7: Abwärmeberechnung des Abgasstroms
Bei der Glasherstellung wird die heiße Abluft aus der Schmelzwanne in einem Regenerator genutzt. Die Abluft tritt mit einer Temperatur von 1450 °C und einer Masse von 18.000 kg/h aus.
Der spezifische Wärmeinhalt der Abgase kann mit einem konstanten Wert von 1,1 kJ/(kg·K) angenommen werden. Die Umgebungstemperatur beträgt 25 °C.
a) Berechnen Sie die nutzbare Abwärmeleistung in kW, die über die Regeneratorabluft theoretisch zurückgewonnen werden kann.
b) Welche Energie wird damit pro Tag zurückgewonnen (in MJ)?
c) Nennen Sie zwei Maßnahmen, mit denen sich die Abwärmenutzung zusätzlich verbessern lässt.
Lösung
a)
Zuerst Temperaturunterschied berechnen:
ΔT = 1450 °C – 25 °C = 1425 K
Abwärmeleistung:
Q̇ = ṁ * c * ΔT
Q̇ = 18000 kg/h * 1,1 kJ/(kg·K) * 1425 K
= 28.215.000 kJ/h = 28.215 MJ/h
Umrechnung in kW:
Q̇ = 28.215 MJ/h ÷ 3,6 = 7837,5 kW
b)
Tagesmenge (24 Stunden):
Q_tag = 28.215 MJ/h * 24 h = 677.160 MJ/Tag
c)
Verbesserung der Abwärmenutzung:
- Optimierung des Regenerators durch besseres Füllmaterial oder regelmäßigere Reinigung
- Nutzung der Abwärme zur Vorwärmung von Gemenge, Luft oder sogar Rohstoffen
- Integration eines Wärmetauschersystems zur Dampferzeugung
Aufgabe 8: Formgebung von Glas
Die Formgebung ist ein zentraler Schritt in der Glasherstellung und beeinflusst maßgeblich die Qualität und Gestalt des Endprodukts.
a) Nennen Sie drei gängige Verfahren zur Formgebung von Glas.
b) Beschreiben Sie das Press-Blas-Verfahren (Press-Blow-Verfahren) mit seinen typischen Einsatzgebieten.
c) Welche physikalischen Eigenschaften des Glases sind während der Formgebung besonders relevant?
d) Welche Fehlerquellen können bei der Formgebung auftreten? Nennen Sie zwei typische Fehlerursachen.
Lösung
a)
Drei Verfahren zur Formgebung:
- Blasverfahren (z. B. für Hohlglas)
- Pressverfahren (z. B. für dickwandige Teile oder Gläser)
- Ziehverfahren (z. B. für Flachglas oder Röhren)
b)
Press-Blas-Verfahren:
Zweistufiges Verfahren:
- Im ersten Schritt wird ein Glastropfen in eine Form gepresst → Vorformling entsteht.
- Dieser wird in eine zweite Form überführt und durch Druckluft zur Endform geblasen.
Einsatzgebiete: Getränkeflaschen, Konservengläser, pharmazeutische Behälter
c)
Relevante physikalische Eigenschaften:
- Viskosität: Muss in einem steuerbaren Bereich liegen (z. B. Arbeitsbereich: 10⁴–10⁶ dPa·s)
- Temperaturleitfähigkeit: beeinflusst Wärmeabfuhr und Erstarrung
- Wärmeausdehnungskoeffizient: beeinflusst Dimensionsstabilität beim Abkühlen
d)
Typische Fehlerquellen:
- Ungleichmäßige Temperaturverteilung → Spannungsrisse
- Fehldosierung des Tropfens → Wandstärkenfehler
- Verschmutzte oder beschädigte Formen → Oberflächenfehler
Aufgabe 9: Einfluss des Scherbeneinsatzes auf den Energiebedarf
Ein Glaswerk stellt täglich 200 t Grünglas her. Der derzeitige Scherbeneinsatz beträgt 30 %, das Werk möchte diesen auf 60 % erhöhen.
Es ist bekannt, dass durch 10 % mehr Scherben im Gemenge der spezifische Energiebedarf um 0,1 MJ/kg Glas gesenkt werden kann.
a) Berechnen Sie den aktuellen Energiebedarf pro Tonne Glas bei 30 % Scherbeneinsatz. (Ausgangspunkt: 100 % Primärrohstoffe = 2,8 MJ/kg Glas)
b) Berechnen Sie den Energiebedarf pro Tonne bei 60 % Scherbeneinsatz.
c) Wie viel Energie spart das Werk pro Tag bei der Umstellung auf 60 % Scherbeneinsatz?
d) Nennen Sie zwei weitere Vorteile eines hohen Scherbeneinsatzes.
Lösung
a)
Scherbeneinsparung (gegenüber 100 % Primärrohstoffe):
E_30 = 2,8 MJ/kg – (0,1 MJ/kg * 7) = 2,1 MJ/kg
(denn 30 % = 70 % Primär → 7 x 10 %)
b)
E_60 = 2,8 MJ/kg – (0,1 MJ/kg * 4) = 1,8 MJ/kg
(denn 60 % = 40 % Primär → 4 x 10 %)
c)
Energieeinsparung pro kg:
ΔE = 2,1 – 1,8 = 0,3 MJ/kg
→ pro Tag bei 200 t = 200.000 kg * 0,3 MJ/kg = 60.000 MJ/Tag
d)
Weitere Vorteile eines hohen Scherbeneinsatzes:
- Geringerer CO₂-Ausstoß (weniger chemische Reaktionen, z. B. Carbonatzerfall)
- Weniger Rohstoffverbrauch → geringere Rohstoffkosten
- Schnellere Reaktion beim Einschmelzen → kürzere Schmelzzeiten
- Geringere Entgasung → weniger Läuterungsaufwand
Aufgabe 10: Berechnung der Viskosität im Temperaturbereich
Ein Glas mit einer bekannten Viskositätskurve verhält sich gemäß folgender Näherungsformel nach Fulcher:
log(η) = A + (B / (T – C))
Dabei ist:
- η = Viskosität in dPa·s
- T = Temperatur in Kelvin
- A, B, C = glasartspezifische Konstanten
Für ein bestimmtes Kalk-Natronglas gelten:
- A = –4,30
- B = 4000
- C = 150
a) Berechnen Sie die Viskosität bei 1250 °C.
b) In welchem Viskositätsbereich liegt dieses Glas bei dieser Temperatur? Ordnen Sie den Viskositätswert einem typischen Formgebungszustand zu.
c) Bei welcher Temperatur liegt die Viskosität bei exakt 10⁴ dPa·s? (Arbeitspunkt)
Lösung
a)
Umrechnung:
T = 1250 °C = 1523 K
log(η) = –4,30 + (4000 / (1523 – 150))
= –4,30 + (4000 / 1373) ≈ –4,30 + 2,91 ≈ –1,39
η = 10^(–1,39) ≈ 0,041 dPa·s
b)
Viskosität von ~0,041 dPa·s liegt im Bereich der Ziehtemperatur / Tropfverhalten, also sehr niedrigviskos → das Glas ist praktisch flüssig → ungeeignet für Formgebung, gut für Läuterung.
c)
Gesucht:
log(η) = 4
→ 4 = –4,30 + (4000 / (T – 150))
→ 8,30 = 4000 / (T – 150)
→ T – 150 = 4000 / 8,30 ≈ 481,93
→ T = 481,93 + 150 = 631,93 K = 358,93 °C
Ergebnis:
η = 10⁴ dPa·s → bei ca. 359 °C → dies ist der Arbeitsbereich, z. B. für Formgebung durch Pressen oder Blasen.
Aufgabe 11: Thermische Ausdehnung und Eigenspannungen im Glas
Die thermische Ausdehnung ist eine wichtige Eigenschaft von Glas, da sie direkt mit der Entstehung innerer Spannungen verknüpft ist.
a) Erklären Sie den Begriff „thermischer Ausdehnungskoeffizient“ und geben Sie die übliche Einheit an.
b) Warum kann eine inhomogene Abkühlung von Glas zu Eigenspannungen führen?
c) Welche Folgen können Eigenspannungen im Glasprodukt haben? Nennen Sie zwei typische Auswirkungen.
d) Wie kann man Eigenspannungen im Produktionsprozess gezielt reduzieren oder sogar gezielt einsetzen?
Lösung
a)
Der thermische Ausdehnungskoeffizient α beschreibt, wie stark sich ein Werkstoff bei Temperaturänderung ausdehnt.
Einheit:
α = 1/K oder oft: 10⁻⁶/K
Er gibt an, um wie viele millionstel Teile sich ein Material pro Kelvin Temperaturänderung ausdehnt.
b)
Beim Abkühlen zieht sich Glas zusammen. Wenn jedoch äußere Schichten schneller abkühlen als innere, entstehen Temperaturdifferenzen. Diese führen zu unterschiedlichen Längenänderungen → mechanische Spannungen entstehen. Diese inneren Spannungen nennt man Eigenspannungen.
c)
Typische Folgen:
- Risse oder spontane Glasbrüche bei kleinen Temperaturänderungen
- Geringere Biegefestigkeit oder Druckbelastbarkeit
- Optische Verzerrungen (bei Floatglas)
d)
Reduktion:
- Kontrolliertes Abkühlen im Kühlofen (Entspannungsofen) über den sog. Entspannungsbereich (~500–600 °C je nach Glastyp)
- Temperung: gezielte Einbringung von Druckspannungen (z. B. ESG – Einscheiben-Sicherheitsglas) zur Erhöhung der Schlagfestigkeit
→ Thermisch vorgespannte Gläser nutzen gezielt Eigenspannungen zur Verbesserung der mechanischen Eigenschaften.
Aufgabe 12: Berechnung der notwendigen Kühlzeit im Entspannungsbereich
Ein Flachglasprodukt (Kalk-Natronglas) wird bei der Herstellung von 620 °C auf 450 °C im Entspannungsbereich abgekühlt.
Das Glas hat eine Dicke von 8 mm. Für die Abkühlung soll eine konstante Abkühlgeschwindigkeit von 2 K/min eingehalten werden, um Eigenspannungen zu minimieren.
a) Berechnen Sie die notwendige Zeit für den vollständigen Entspannungsprozess in Minuten.
b) Wie lange müsste das Glas im Kühlofen verbleiben, wenn zusätzlich ein Halten bei 500 °C für 30 Minuten vorgesehen ist?
c) Erläutern Sie den Sinn dieses Haltebereichs („Verweildauer“) im Entspannungsprozess.
d) Was könnte passieren, wenn dieser Bereich zu schnell durchlaufen wird?
Lösung
a)
Temperaturdifferenz:
ΔT = 620 °C – 450 °C = 170 K
Zeit bei 2 K/min:
t = ΔT / Abkühlrate = 170 K / 2 K/min = 85 Minuten
b)
Zusätzlich 30 Minuten Haltezeit bei 500 °C:
Gesamtzeit = 85 min + 30 min = 115 Minuten
c)
Der Haltebereich dient der Entspannung des Glasgefüges:
In diesem Temperaturbereich (ca. 500 °C) sind atomare Bewegungen noch möglich, die Spannungen abbauen helfen.
Das Glas kann sich dabei „ausrichten“, ohne dass kristalline Strukturen entstehen.
d)
Bei zu schneller Abkühlung:
- Spannungen bleiben im Glas
- Gefahr von Spontanbruch, insbesondere bei späteren Temperaturwechseln
- Verringert die Festigkeit und Lebensdauer
- Verformungen oder optische Fehler (z. B. Doppelbrechung bei Lichteinfall)
Aufgabe 13: Berechnung der Farboxid-Zugabe zur Glasfärbung
Ein Glashersteller möchte 5 t Grünglas mit einem definierten Fe₂O₃-Gehalt einfärben.
Ziel: 0,4 % Fe₂O₃ im fertigen Glas.
Verwendet wird ein Farbzuschlagsstoff mit 68 % Fe₂O₃-Gehalt (z. B. Eisenoxid-haltiger Recyclingstoff oder Farbpigment).
a) Berechnen Sie die benötigte Menge an Farbzuschlagsstoff (in kg), um 5 t Glas auf 0,4 % Fe₂O₃ einzufärben.
b) Wie verändert sich die erforderliche Zugabe, wenn stattdessen ein Zusatz mit nur 50 % Fe₂O₃ verwendet wird?
c) Warum ist eine präzise Dosierung bei Färbungen besonders wichtig?
Lösung
a)
Gewünschter Fe₂O₃-Anteil im Endglas:
m_Fe2O3 = 0,4 % von 5000 kg = 0,004 * 5000 = 20 kg
Zuschlagsstoff mit 68 % Fe₂O₃:
m_Zuschlag = 20 kg / 0,68 ≈ 29,41 kg
b)
Bei 50 % Gehalt:
m_Zuschlag = 20 kg / 0,50 = 40 kg
c)
Gründe für präzise Dosierung:
- Farbintensität hängt stark von Konzentration ab (bereits 0,01 % Unterschiede sichtbar)
- Farbabweichungen führen zu Produktionsausschuss oder Reklamationen
- Bestimmte Gläser (z. B. UV-aktive oder medizintechnische) benötigen exakt definierte Transmission
Aufgabe 14: Chemische Beständigkeit von Glas
Die chemische Beständigkeit ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal für viele Glasprodukte – insbesondere bei Labor- oder Verpackungsglas.
a) Erklären Sie, was unter „chemischer Beständigkeit“ bei Glas verstanden wird.
b) Nennen Sie zwei typische Prüfbedingungen, mit denen die chemische Beständigkeit von Glas getestet wird.
c) Welche Glasbestandteile beeinflussen die chemische Beständigkeit besonders stark? Geben Sie zwei an mit ihrer Wirkung.
d) Welche Glastypen gelten als besonders chemikalienbeständig und wo werden sie typischerweise eingesetzt?
Lösung
a)
Chemische Beständigkeit bezeichnet den Widerstand des Glases gegen Angriff durch Wasser, Säuren, Laugen oder andere Chemikalien. Ein chemisch beständiges Glas gibt nur sehr wenige Bestandteile an die Umgebung ab und zeigt keine sichtbare Veränderung (z. B. Trübung, Korrosion).
b)
Typische Prüfbedingungen:
- Wasserbeständigkeit nach DIN ISO 719 (Kochtest mit destilliertem Wasser bei 98 °C)
- Säurebeständigkeit nach DIN ISO 1776 (z. B. HCl-Einwirkung)
- Laugenbeständigkeit (z. B. mit NaOH)
- Prüfung über Ionenauslaugung (z. B. Na⁺ oder B³⁺)
c)
Glasbestandteile mit Einfluss:
- Na₂O, K₂O (Netzwerkwandler): erhöhen Reaktivität, senken chemische Beständigkeit
- Al₂O₃ (Zwischenoxid): erhöht Vernetzung, steigert Beständigkeit
- B₂O₃ (Netzwerkbildner): verbessert chemische Beständigkeit in Borosilikatgläsern
d)
Besonders beständige Glastypen:
- Borosilikatglas (z. B. Duran, Pyrex): in Laborgeräten, chemischen Apparaten
- Quarzglas: höchste Beständigkeit, z. B. für optische oder Hochtemperaturanwendungen
- Neutralglas (Typ I): für pharmazeutische Verpackungen
Aufgabe 15: Restblasenberechnung im Glas
Ein Glashersteller möchte die Qualität seiner Schmelze überprüfen. Dazu wird der Restblaseninhalt (Gasblasen im fertigen Glas) mithilfe eines genormten Würfels bestimmt.
Ein Glaskubus mit einem Volumen von 100 cm³ enthält bei der optischen Prüfung 1,6 cm³ eingeschlossene Gasblasen.
a) Berechnen Sie den Restblasenwert in Volumenprozent (%).
b) Das zulässige Limit laut Werksnorm beträgt 1,0 Vol.-%. Wird dieser Wert eingehalten?
c) Nennen Sie zwei Ursachen für einen erhöhten Blasengehalt im Glas.
d) Welche Maßnahmen können im Läuterungsprozess zur Reduktion des Blasengehalts getroffen werden?
Lösung
a)
Restblasenwert = (Volumen der Blasen / Volumen Glas) * 100
= (1,6 cm³ / 100 cm³) * 100 = 1,6 Vol.-%
b)
Der ermittelte Wert 1,6 Vol.-% > 1,0 Vol.-% → Grenzwert überschritten
Das Glas entspricht nicht der Werksnorm und wäre ggf. auszumustern oder zu analysieren.
c)
Ursachen für hohen Blasengehalt:
- Unvollständige chemische Reaktion im Gemenge (z. B. Carbonate noch nicht vollständig zersetzt)
- Zu kurze Läuterungszeit oder zu geringe Läutertemperatur
- Falsche Redoxbedingungen / keine Läutermittelzugabe (z. B. Na₂SO₄)
d)
Maßnahmen zur Blasenreduktion:
- Erhöhung der Läutertemperatur (viskositätsabhängig)
- Zugabe von Läutermitteln wie Na₂SO₄ oder As₂O₃ (Sauerstofffreisetzung)
- Optimierung der Schmelzdauer und Temperaturführung
- Scherbeneinsatz kann helfen, Reaktionsgasbildung zu reduzieren