Lernkarte: Spritzgießen – Industriemeister Kunststoff HQ Technik

:green_circle: Lernkarte: Spritzgießen – Industriemeister Kunststoff HQ Technik

Das Spritzgießen ist eines der wichtigsten Kunststoffverarbeitungsverfahren. Kunststoffgranulat wird plastifiziert und unter hohem Druck in eine Form (Spritzgießwerkzeug) eingespritzt. Dort erstarrt es durch Abkühlung und bildet das fertige Bauteil.


:pushpin: 1. Grundlagen & Begriffe

  • Thermoplaste: mehrfach schmelz- und formbare Kunststoffe
  • Duroplaste: härten beim Erwärmen dauerhaft aus
  • Spritzgießzyklus: Schließen → Einspritzen → Nachdruck → Kühlung → Öffnen → Entformung

:pushpin: 2. Formteile & Gestaltung

Gestaltungsregeln:

  • Gleichmäßige Wandstärken
  • Entformungsschrägen (typisch 1° bis 3°)
  • Vermeidung von Hinterschnitten

Einfluss auf Qualität:

  • Dünne Wandstärken → kürzere Zykluszeiten
  • Dicke Wandstärken → Einfallstellen möglich, längere Kühlzeit

:pushpin: 3. Spritzgießwerkzeuge

Aufbau:

  • Werkzeughälften (beweglich, feststehend)
  • Anguss (Punkt-, Film-, Tunnelanschnitt)
  • Kühlkanäle (zur schnellen Abkühlung)
  • Auswerfersystem (mechanisch, pneumatisch)

Werkzeugtypen:

  • Einfach-/Mehrfachwerkzeuge (Anzahl Kavitäten)
  • Heißkanalwerkzeuge (Reduzierung von Angussverlusten)

:pushpin: 4. Berechnung der Zuhaltekraft

Formel zur Berechnung der Zuhaltekraft (F):

F_Zuhalte = A_projiziert × p_spezifisch

Bedeutung der Formelzeichen:

  • F_Zuhalte: Zuhaltekraft (kN)
  • A_projiziert: projizierte Fläche des Formteils (cm²)
  • p_spezifisch: spezifischer Spritzdruck (kN/cm²), üblich 0,3–0,8 kN/cm²

Beispiel:
Projizierte Fläche = 250 cm², spezifischer Druck = 0,5 kN/cm²

F_Zuhalte = 250 cm² × 0,5 kN/cm² = 125 kN

:pushpin: 5. Parameteroptimierung beim Spritzgießen

Entscheidende Parameter:

  • Massetemperatur: Schmelzetemperatur optimal einstellen
  • Werkzeugtemperatur: Beeinflusst Oberfläche, Schwindung und Verzug
  • Einspritzgeschwindigkeit: Oberflächenqualität und Orientierung der Moleküle
  • Nachdruckzeit und -höhe: Gegen Einfallstellen und Lunkerbildung
  • Kühlzeit: Wirtschaftlichkeit optimieren, aber Qualität sichern

:pushpin: 6. Fehleranalyse & Ursachen

Fehler Ursache Maßnahme
Einfallstellen zu geringer Nachdruck, dicke Wand Nachdruck erhöhen, Wanddicke reduzieren
Bindenähte niedrige Massetemperatur, falscher Anschnitt Massetemperatur erhöhen, Anschnitt optimieren
Schlieren Feuchtigkeit im Granulat Material trocknen
Gratbildung unzureichende Zuhaltekraft, Werkzeug verschlissen Zuhaltekraft erhöhen, Werkzeug reparieren
Verzug ungleichmäßige Kühlung Kühlkanäle anpassen, Werkzeugtemperatur homogenisieren

:pushpin: 7. Typische Prüfungsfragen

  • Berechnung der Zuhaltekraft
  • Ursachen typischer Spritzgießfehler erkennen
  • Parameteroptimierung erklären
  • Unterschiede bei Thermo- und Duroplasten nennen
  • Werkzeugaufbau und Funktionen erläutern

:pushpin: 8. Praxisrelevante Beispielrechnungen

:arrow_forward: Berechnung der Holmspannung (Spritzgießmaschine)

Gegeben:

  • Holmquerschnittsfläche A_Holm = π × (d² / 4)
  • Zuhaltekraft F_Zuhalte

Formel:

σ_Holm = F_Zuhalte / (n_Holm × A_Holm)

Beispielrechnung:
Holmdurchmesser d = 60 mm, F_Zuhalte = 2000 kN, n_Holm = 4

A_Holm = π × (60² mm² / 4) ≈ 2827 mm²
σ_Holm = 2000000 N / (4 × 2827 mm²) ≈ 177 N/mm²

:arrow_forward: Berechnung Zykluszeitoptimierung

Gesamtzykluszeit (t_gesamt) optimieren über Einzelzeiten:

t_gesamt = t_Schließen + t_Einspritzen + t_Nachdruck + t_Kühlung + t_Öffnen + t_Entformung

Kühlzeit verkürzen durch optimale Werkzeugtemperierung und angepasste Wandstärken.


:pushpin: 9. Praxiswissen & Prüfungsstrategien

  • Zuhaltekraft-Berechnungen immer sorgfältig durchführen und dokumentieren
  • Klare Ursachen-Wirkungs-Argumentation bei Fehleranalysen
  • Parametereinstellungen begründen (Qualität ↔ Wirtschaftlichkeit)
  • Aufbau und Funktion der Werkzeuge detailliert beschreiben

:books: Zusammenfassung wichtiger Merksätze:

  • [Spritzgießen = Plastifizieren → Einspritzen → Kühlen → Entnehmen]
  • [Zuhaltekraft = Projizierte Fläche × spezifischer Spritzdruck]
  • [Fehleranalyse = Ursache erkennen + geeignete Maßnahme ergreifen]
  • [Kurze Zykluszeit = Wirtschaftlichkeit, lange Zykluszeit = Qualitätssicherheit]

:white_check_mark: Fazit:
Beherrsche diese Formeln, Zusammenhänge und die Fehleranalyse, um in der Prüfung erfolgreich zu sein!

:pushpin: Viel Erfolg bei deiner Prüfungsvorbereitung!